Urpas, Damant Valura (Buch I und Buch II)

Er ist der Sohn von Serpon und Djalin. Er hat die Raumakademie Toronak mit Mühe absolviert. Sein Bestreben ist es, Nachfolger seines Vaters zu werden. An der Oberfläche ist er als Künstler tätig, im Geheimen verfolgt er jedoch den Plan, sich einer Geheimorganisation anzuschließen. Momentan leitet er die Nordwerft der Valura auf dem Myrath-Mond Aram. Cormet ist sein Halbbruder.

Ausschnitt 1 aus der Sicht von Cormet:

Er ging durch einen kurzen Flur. Die Wandbehänge wirkten wie eine bessere Komposition seines Bruders. Dominierend waren die metallisch glitzernden Farben Blau, Weiß, Schwarz und Violett. Sie wurden von verborgenen Lichtquellen umstrahlt. Cormet war sich sicher, dass sich die Farbkombinationen, die Formen und die Intensität seit dem letzten Besuch geändert hatten.

Dann öffnete sich ein Wohnraum vor ihm, der ihm wieder ein gewisses Maß an Normalität vermittelte. Matte, glasartig wirkende Wände, von Goldorangetönen mit zartweißen Schlieren durchsetzt und scheinbar von innen leuchtend, umschlossen den Raum.

Türen konnte er keine erkennen, obwohl er wusste, dass sie vorhanden waren. Eine der Wandflächen diente als Holoschirm. Transparente Kugeln, Gasbläschen gleich, tanzten dort in einer beruhigt hin und her schwappenden, grünlichen Flüssigkeit auf und nieder. Untermalt wurden sie von einer leichten Melodie, die Harmonie und Lebensfreude vermittelte.

Die kleinwüchsige Gestalt des Bruders, kaum 1,60 Meter groß, lag auf einer blauschwarzen Schwebeliege. Sie gehörte zu einer Wohnlandschaft, in deren Mitte ein schwarzer Basalttisch mit hell strahlenden Kristallornamenten stand. Die Augen hielt er geschlossen. Der plumpe Abtasthelm passte nicht zu dem fein geschnittenen Gesicht. Es erinnerte Cormet sehr an Djalin, dessen Mutter. Nur die dicken, ungepflegten Augenbrauen ließen eine Spur ungezügelter Wildheit erahnen.

Ausschnitt 2:

»Euer Leben befindet sich im Augenblick nicht in Gefahr!«, antwortete Luklon und es war ihm, als wenn sich dem einstigen Oberhaupt des Hauses derer von Yormun ein mitleidiges Lächeln auf das Gesicht stahl. Nur kurz. Dann hob dieser den ArmKomm vor dem Mund. »Tarr-Mocay! Komm bitte in die Zentrale!«

Danach wandte er sich wieder seinem Gefangenen zu. »Ich werde Euch lediglich … nun ja … sagen wir … eine ungewöhnlich geartete Gesprächspartnerin zur Seite stellen. Ich garantiere Euch, Ihr werdet Euch während meiner Abwesenheit nicht langweilen.«

»Tarr-Mocay hört sich aber nicht wie ein gängiger Frauenname an«, bemerkte Urpas.

»Es ist kein Name«, gab Luklon zurück. »Es ist eine Bezeichnung aus jener seltsamen Sprache, welche die Piraten, denen wir angehörten, als Geheimsprache verwenden.«

»Und was bedeutet diese?«

»Tarr-Mocay bezeichnet eine sphärische Frauengestalt von großer Schönheit. Sie steigt zu humanoidem Leben herab, um es einzufordern.« Offen beobachtete Luklon die Reaktion auf seine Eröffnung.

Urpas schluckte. »Sagtet Ihr nicht, dass ich nicht vor Cormet sterben werde?«

Lächelnd nickte dieser. »Richtig! Ich erinnere mich!« Er wischte mit dem Daumen der rechten Hand langsam über die einzelnen Fingernägel, um zu zeigen, wie unwichtig ihm das alles war. »Wartet!«, erinnerte er sich dann. »War es nicht Serpon, der uns gezeigt hat, wie vorbehaltlos man solchen Worten vertrauen kann?«

»Stellt Ihr Euch denn auf die gleiche Stufe mit meinem Vater?«, fragte Urpas erregt. »Seid Ihr etwa begierig darauf, auf ein Leben zurückzublicken, das nur aus Gewalt und Leid besteht? Wollt Ihr die Seelen der Hingemeuchelten in Euren Träumen sehen und spüren, wie das Blut von Euren Fingern tropft? Und zwar immer dann, wenn Ihr für Euch alleine seid? Welchen Sinn seht Ihr darin, den Sohn Eures Peinigers zu quälen, der zur Stunde, in der das Unrecht an Euch vollzogen wurde, noch nicht einmal geboren war? Welche Befriedigung verschafft Euch der Tod eines Unschuldigen?«

»Euer theatralischer Appell an mein Gewissen ist vergeblich«, erwiderte Luklon. »Ich habe schon lange keines mehr. In den unendlichen Lichtzyklen, die ich bei den Piraten lebte, ging es mir verloren. Und in der Stunde des Verrats kam mir auch der letzte Funke an Ehre abhanden. Als ich miterleben musste, wie die gesamte Oberschicht des Hauses Yormun in eine Falle gelockt wurde, wie Männer neben mir fielen, Frauen samt Kinder zusammengeschossen wurden und wie meine Familie starb. Glaubt nicht, dass Euch irgendeine Gnade widerfahren wird.« Er machte eine kleine Pause, wobei er durch eine herrische Handbewegung anzeigte, dass er weitersprechen wollte.

»Ihr besitzt jetzt schon viele Talente. Mag sein, dass es eine Verschwendung ist, wenn ich Euch töte. Aber die Gefahr, dass Ihr so werdet, wie Euer Vater, ist zu groß. Trotzdem könnt Ihr Euer Leben noch etwas verlängern!«

Wie?, wollte Urpas fragen. Doch er kam nicht dazu. Das Schott glitt auf und herein kam ein Wesen jenseits bekannter Welten. Ein silbernes Kleid, glitzernd wie Eiskristalle, umhüllte einen schlanken Körper. Es war so lang, dass es die Füße verbarg. Bei jedem Schritt, mit dem es näherkam, vermeinte er, es schweben zu sehen. Die Nägel der wohlgeformten Hände waren funkelnd blau gefärbt. Langes voluminöses weißes Haar bewegte sich leicht in einem imaginären Wind. Große smaragdgrün leuchtende Augen, eine schmale gerade Nase und ein voller Mund in einem ebenmäßigen Gesicht, das seltsam unscharf wirkte, als wäre es von einem feinen Nebel überdeckt, ließen Urpas in seinen Grundfesten erschauern.

Er hatte noch niemals etwas so Vollkommenes erblickt. Da war er sich sicher. Es war jenseits seines künstlerischen Könnens angesiedelt. Er ahnte, dass er lichtzyklenlang versuchen konnte, dieses Wesen nachzubilden, ohne je ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erzielen.

»Wie?«, hörte er sich sagen, fern und emotionslos, als wären die Worte von jemand anderem ausgesprochen worden. »Wie könnte ich mein Leben verlängern und für wie lange?«

Was wirst du tun?