Danora lebt mit ihrer Tochter Saira bei Loryk, einem Attentäter, und erledigt für ihn Gelegenheitsaufträge. Doch diesmal muss sie gegen ihren Willen das fünf Lichtzyklen alte Mädchen mitnehmen.

Ausschnitt aus der Sicht von Danora

Sie schritten durch die große von Licht erfüllte Halle, die mit den verschiedensten Läden der Oberklasse ausgestattet war.

„Guck mal, Mam!“, kreischte Saira auf. Sie deutete mit dem Zeigefinger auf ein Schaufenster. Darin waren eine männliche und eine weibliche Puppe zu sehen. Sie trugen festliche Gewänder und tanzten nach einer melodischen Weise. Fünf Musikerpuppen saßen im Hintergrund und begleiteten sie dabei auf diversen Instrumenten.

Auf einem Holoschirm wurde das komplette Puppensortiment vorgestellt. Enthalten waren auch die Programmpakete der Nano-KIs. Da gab es die Beherrschung verschiedenster Einzel- und Mannschaftssportarten, Musikinstrumenten, Gesang und Kommunikationsarten zur Auswahl. Ihr wurde es ganz flau im Magen, als die Preise angezeigt wurden. „Bei Orglans Blöße!“, stöhnte sie. „Das ist viel zu teuer für uns. Komm, lass uns weitergehen.“

Aber Saira drückte ihre Nase nur noch fester an die Scheibe. „Ich will aber so eine Puppe! Mam, bitte, bitte!“ Seufzend hob Danora sie hoch und bemerkte wieder einmal, wie schwer sie mittlerweile geworden war.

Ihre Tochter wand sich in ihren Armen, sodass sie trotzdem das Schaufenster aus dem Augenwinkel sehen konnte. „Diese Puppe, Mam“, bettelte sie, während sie wieder mit dem Zeigefinger in die ungefähre Richtung deutete, „die mit den langen silbernen Haaren und dem schönen weißen Kleid, Mam. Bitte!“

„Nein!“, entgegnete Danora bestimmt! „So viele Myraths haben wir nicht! Ich kann sie dir nicht kaufen!“ Sie sah, wie Sairas Mundwinkel nach unten glitten und drei dicke Tränen über ihre Wangen rollten.

Es tat ihr weh, ihre Tochter so zu sehen. Doch sie konnte ihr nicht helfen. Sie besaß kein Geld. Beide lebten nur von dem, was Loryk ihnen gab.

„Schau mal“, erklärte sie schließlich. „Als ich so klein war wie du, hatte ich auch viele Wünsche. Die allermeisten davon wurden mir nicht erfüllt, weil auch meine Mam damals über ganz wenig Myraths verfügte. Aber einmal bekam ich doch ein Spielzeug, das auf meiner Wunschliste gestanden war. Und weißt du was?“ Danora legte eine Pause ein.

Saira sah sie erwartungsvoll an.

„Drei Tage lang habe ich damit gespielt. Dann habe ich es weggelegt und lieber wieder meine alten Spielsachen genommen.“

„Warum?“, fragte das Mädchen. Seine Mundwinkel hoben sich schon wieder etwas.

„Weil wir unsere vertrauten Sachen lieben!“ Danora stupste ihre Tochter mit dem Zeigefinger an der Nase. „Deinen Doodoo hast du schon ganz, ganz lang. Und du willst ihn immer bei dir haben. Auch wenn du schläfst, muss er neben dir liegen. Warum?“

Einen kurzen Augenblick überlegte Saira, dann glitt ein Lächeln über ihre Gesichtszüge. „Weil ich meinen Doodoo ganz arg lieb habe!“, sagte sie. „Und dich hab ich auch ganz arg lieb, Mam.“ Damit legte Sie ihre Arme um Danoras Hals und drückte das Gesicht fest an das ihre.

Danora wusste, dass die kleine Krise überwunden war. Ihre Tochter war nie nachtragend. Wenn sie etwas akzeptiert hatte, blieb es auch dabei. Es war ihr schon damals wie Verrat vorgekommen, als Loryk sein optisches Übertragungsgerät in den Doodoo eingebaut hatte. Und ihr wurde immer deutlicher bewusst, dass das Leben, das sie führten, falsch war. Ein Rachefeldzug war keine gute Basis für die Erziehung eines fünf Lichtzyklen alten Kinds. Es musste sich etwas ändern. Bald!

Sie streichelte Sairas Kopf. „Ich hab dich auch lieb, meine Kleine!“, erwiderte sie sanft. „Aber jetzt müssen wir weiter. Loryk wartet schon auf uns.“

Sie setzte ihre Tochter ab. Beide schritten sie langsam dem zentralen Aufgang entgegen. Er wand sich als prallschirmgestütztes Gleitband in einer sich windenden Steigung zum Tageslicht empor. Alternativ führte in dessen inneren Radius ein transparenter Schwebeschacht nach oben.

Danora nahm mit Saira das Band. Die leichten Sommerkleider, die sie trugen, waren nicht so sehr für den Schacht geeignet. An der Oberfläche angekommen verließen sie das Transportband, ehe sie zu einer Drehscheibe getragen wurden, welche die Fahrgäste auf drei verschiedene Richtungen verteilte.

Es war früher Nachmittag auf Eloym und aus einem wolkenlosen Himmel schien die Sonne warm auf sie herab. Danora bedauerte, dass keine Zeit war, um kurz innezuhalten und sich wohlzufühlen. Aber der Auftrag hatte Vorrang.

Mit wenigen Schritten brachte sie sich und Saira auf Distanz zu dem regen Strom aus Fahrgästen. Sie nahm über den abgesicherten und verschlüsselten Kanal Verbindung zu Loryk auf.

„Hier Danora! Teil 2 ist abgeschlossen!“, meldete sie sich.

„Sehr gut!“, hörte sie seine Stimme. „Ich instruiere dich jetzt für Teil 3.“ Einen Moment war nichts zu hören, dann sprach er weiter. „Besteigt das Gleitband, das in westliche Richtung führt. Bleibt darauf bis ihr ein säulenförmiges Gebäude zu eurer Linken seht. Es besteht aus weißem Marmor und das Dach ist wie eine Krone geformt. Das ist der Palast der Valura. Sobald ihr euch auf gleicher Höhe mit ihm befindet, lässt Saira ihren Doodoo fallen. Sie muss ihm dabei einen Stoß geben, damit er die Böschung hinunterrollt und unten an der Grundstücksgrenze zum Liegen kommt. Während sie ihn aufhebt, stolpert sie und fällt in das Grundstück hinein. Mit einem ferngesteuerten Impuls werde ich zwei Käfersonden aus dem Stofftier ausschleusen. Sie nimmt dann den Doodoo wieder und verlässt das Anwesen. Die Sonden suchen sich einen Platz, um den Palast zu beobachten. So einfach ist das.“

„Loryk!“, presste Danora mit unheilschwangerer Stimme hervor. „Ich habe ein ganz übles Gefühl bei der Sache. Lass bitte Saira aus dem Spiel! Es gibt bestimmt noch eine andere Möglichkeit, um das Gebäude zu beschatten.“

„Nein!“, kam es schroff zurück. „Das ist der Plan. Er wird genauso ausgeführt!“

„Gut!“, antwortete Danora. „Ich werde den Auftrag beenden. Aber danach trennen sich unsere Wege. Ich kann meine Tochter nicht deinem Rachefeldzug aussetzen.“

„Wenn schon, dann unserem Rachefeldzug!“, entgegnete Loryk.

„Nein!“, stieß sie heftig hervor. „Es warst immer nur du, der sich rächen wollte. Ich war damit zufrieden, dass ich am Leben geblieben bin und mein Kind bekommen konnte. Ich habe dir bisher aus reiner Dankbarkeit geholfen. Aber ich kann so nicht weitermachen. Saira wird immer tiefer in die Sache mit hineingezogen.“

„Darüber reden wir, wenn ihr zurück seid!“, bestimmte er. „Führt jetzt den Auftrag aus!“

Wütend trennte Danora die Verbindung.

„Was will Loryk von uns, Mam! Warum bist du so ärgerlich?“

„Ach weißt du“, erwiderte sie, um kindgerechte Worte ringend, „Er hat ein Ziel und dafür lässt er uns Dinge tun, die wir eigentlich gar nicht wollen.“

„Warum machen wir das dann?“

Danora seufzte. „Weil er uns einmal ganz arg geholfen hat. Doch irgendwann ist auch die größte Schuld abbezahlt. Es ist das letzte Mal, dass wir tun, was er sagt. Komm Saira, beenden wir es.“

Sie nahm ihre Tochter an die Hand. Beide sprangen auf das Transportband, das nach Westen hin unterwegs war.