Vynga saß an ihrer Mikro-KI. Sie verfasste einen Brief an ihren Vater, mit all den Erlebnissen der letzten Woche. Das Signal ertönte. Es stand jemand vor ihrer Tür. Etwas unwillig, weil sie in ihren Gedanken und Formulierungen gestört wurde, schaltete sie den Holoschirm dunkel. Sie erhob sich und drückte den Öffnungsmechanismus. Die Tür schob sich in die Wand. Dann sah sie Lorna vor dem Eingang stehen.

„Was ist passiert, dass du so spät noch vorbeikommst?“, fragte sie verblüfft.

Ihre Freundin trat ein und verschloss die Tür wieder mit einem Fingerdruck. „Du wirst es nicht glauben, aber es wird in etwa zwanzig Tagen ein Auflösestabduell geben.“ Sie lächelte. Es schien, als freute sie sich darauf.

„Blödsinn!“, knurrte Vynga enttäuscht, weil sie eine interessantere Nachricht erhofft hatte. „Die Kämpfe finden erst nach der Prüfungsphase der Anwärter statt. Ich weiß nicht, was du gehört haben willst.“

Lorna lachte vor sich hin. „Kein Blödsinn“, erwiderte sie und gab sich Mühe ernst zu bleiben. „Es ist ein Duell um die Ehre. Und dreimal darfst du raten, wer die Kontrahenten sind!“

Etwas ratlos zuckte Vynga mit der Schulter. „Ich habe nicht die leiseste Ahnung“, antwortete sie irritiert. Ihr war bewusst, dass ihre Freundin die Frage nur deshalb gestellt hatte, weil ihr mindestens einer der Widersacher bekannt war. Aber welcher von denjenigen, die sie kannte, war es Wert, dass Lorna außerhalb der Normzeit noch bei ihr vorbeikam? Ihr fiel absolut niemand ein. Sie pflegte keinen Kontakt zu den Helden der Arena. „Also sag schon!“, forderte sie ihre Freundin auf.

„Nun! Einer davon ist Stufe-1-Kadett Mernon aus dem lichtdurchfluteten Haus derer von Proglan.“

Vynga sah, dass die sonst so ernste Lorna am liebsten laut aufgelacht hätte, ob der Blöße, die sich ihre Freundin durch ihre Ahnungslosigkeit gab. Wahrscheinlich war der zweite Kontrahent, derjenige, der sie überraschen sollte. „Ich kenne Mernon nur sehr weitläufig“, analysierte sie zögernd. „Er ist nicht bei den Turnieren gelistet. Soweit ich weiß ist er gar kein übler Zeitgenosse. Wer hat ihn denn zum Duell herausgefordert?“

„Tranthar aus der Familie der Tanlar, unser neuer Bekannter!“, sprudelte es aus Lorna heraus, während sie den Öffnungsmechanismus wieder betätigte. „Wirst du dir diesen Kampf ansehen?“, erkundigte sie sich. Aber sie sah sofort, dass Vynga gar nicht in der Lage war, ihr zu antworten. „Na gut!“ Sie lachte leise vor sich hin. „Schlaf mal die Nacht darüber … und vor allem halte es geheim. Jelyn hat es mir unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit erzählt!“ Dann trat sie auf den Gang und wurde von der sich schließenden Tür verdeckt.

Vynga musste sich erst einmal setzen. Sie verstand die Welt nicht mehr. Seit wann forderte ein Sternenhändler einen Myrthonen zu einem Duell heraus und warum? Auflösestabduelle waren den Raumakademien vorbehalten. Als solches war zu vermuten, dass der Sternen … – sie verbesserte sich in Gedanken – dass Tranthar nicht wusste, was auf ihn zukam. Bei Kernweltmyrthonen war das anders, meist wurden sie schon vor ihrer Zeit auf der Akademie von ihren Vätern darauf vorbereitet, entweder, wie man derartige Kämpfe bestritt oder wie man ihnen aus dem Weg ging.

Was hatte er sich nur dabei gedacht? Vynga war sich sicher, dass Mernon mit einem Auflösestab umzugehen verstand. Wie wollte Tranthar den Zweikampf gewinnen? Kannte er die Risiken nicht? Wusste er nicht, was es bedeutete, ein Ehrenduell unehrenhaft zu verlieren?

Verdammt! Ihre Hoffnung, dass sie diese Nacht Schlaf finden konnte, schien sich in Wohlgefallen aufzulösen. Denn jetzt spürte sie schon wieder, dass sie zu grübeln begann. „Ich hasse dich, Lorna!“, murmelte sie voller Inbrunst vor sich hin, während sie ihre Mikro-KI ausschaltete.